von Fritz Arends, November 2024

Geschichtlicher Rückblick

Mobile Mittelwellensender gab es schon vor und während des zweiten Weltkriegs im deutschen Reich. Sie wurden "Lilli Marleen Sender" genannt. Dabei handelte es sich um Mittelwellen- und Langwellensender mit 20 kW Leistung, die mobil auf Lastkraftwagen installiert waren und zusammen mit den notwendigen Antennenanlagen schnell verlegt und an ihrem Einsatzort aufgebaut werden konnten. Insgesamt gab es 24 Anlagen unterschiedlicher Bauart zwischen 1934 und 1945.

Über diese Lilli Marleen Sender hat Bernd-Andreas Möller ein sehr detailiertes Buch geschrieben: „Rundfunksender auf Rädern“ ISBN 3-936012-02-4 herausgegeben 2003 von der Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e. V.

Nur zwei dieser Sender haben das Kriegsende 1945 überlebt. Ein Sender lief für den RIAS in Berlin später als Reservesender. Der zweite lief ein paar Jahre in Osterloog, Ostfriesland für den NWDR.

In Summe waren viele dieser mobilen Rundfunksender im Einsatz, teilweise wurden sie von telefunken hergestellt und geliefert. Die Sender waren weitgehend bis Kriegsende 1945 in betrieb (obige Ausnahmen). Die folgenden Sender sind bekannt:

Ausführung in Dienst gestellt  
Mittelwellensender schwerer Bauart 1934 Sender 1
1936 Sender 2
1938 Sender 3
1938 Sender 4
Langwellensender schwerer Bauart 1939 Sender 5  
Mittelwellensender leichter Bauart 1940 Sender A
1940 Sender B
1940 Sender C
1940 Sender D
1940 Sender E
1941 Sender F
1941 Sender G
1941 Sender H
1941 Sender I
1941 Sender K
Langwellensender leichter Bauart 1941 Sender L
1941 Sender M
1941 Sender N
1942 Sender O
1942 Sender P
1942 Sender Q
Eisenbahnsender 1945 Schwerstes Funkfeuer 
Ultrakurzwellensender 1935 Fernsehsenderzug 1
1936 Fernsehsenderzug 2 
 

 

Wiederbelebung in den 80er Jahren

In den Jahren des Kalten Krieges wurde die Notwendigkeit wieder erkannt, auch in Notfällen und bei Ausfall der Infrastruktur die Bevölkerung Deutschlands oder eines Krisengebietes drahtlos informieren zu können. So kam Telefunken in Ulm in den Jahren 1978 bis 1980 zu einem besonders ungewöhnlichen Projekt, das im folgenden erläutert wird.

 

Das R-Sender Projekt

Ungewöhnlich weil es ein Rundfunksender, der verlastbar und fahrbar und ein Mittelwellensender für die Bundeswehr sein sollte.

Rundfunksender wurden eigentlich und ausschließlich bei den Telefunken in Berlin gebaut. In Berlin durfte jedoch nach dem Viermächtestatus nur ziviles Gerät gebaut werden. Einen 80 kW-Sender samt Stromversorgung und Antennenanlage auf diversen LKWs gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, und zudem besaß die Bundeswehr noch gar keine derartigen Sender, weder für einen solchen Frequenzbereich, noch mit hoher Leistung, und schon gar nicht verlastbar für zivile Versorgung oder Truppenbetreuung.

Wie außergewöhnlich dieser Auftrag war zeigt die Einordnung des Projektes in die bis dato erstellten Mobilsender:

Einen Eindruck der aufgebauten Sendeanlage und vom Betrieb vermitteln die folgenden Bilder.

Einen ortsfesten Mittelwellensender erkannte man im Vorüberfahren im wesentlichen an dem langen vertikalen Gittermast, der eine Hälfte des notwendigen Strahlers darstellt (unter Umständen dienen Teile der Abspannugn als Verlängerung; mehr dazu später). Der andere Teil einer ortsfesten Mittelwellensendeanlage ist nicht sichtbar im Erdreich rund um den Sendemast angeordnet; dabei handelt es sich um die andere Strahlerhälfte, die als erdnetz ausgeführt isz und aus optischen Gründen unterhalb der Erdoberfläche angeordnet wird. Ideal wäre es oberhalb, und das ist auch erforderlich, wenn eine mobile Mittelwellensendeanlage ausgeführt wird.

Wie aus den Darstellungen ersichtlich, war das "R-Sender Projekt" (1978-1980) so ausgelegt, dass es mit 16 Lastkraftwagen und 15 Anhängern verlegbar war. Die gesamte Anlage bestand aus zwei Sendern mit jeweils 40kW Sendeleistung, die zur Verdopplung der Ausgangsleistung zusammengeschaltet werden konnten. Nachdem auch Einzelbetrieb vorgesehen war, wurden vier Generatoren erforderlich, damit jeder Sender redundant mit Strom versorgt werden konnte.

Die folgende Skizze vermittelt einen Eindruck vom Gesamtaufbau der Sende-Anlage (hier sind beide 40kW Sender in Verwendung, aber insgesamt nur zwei Stromgeneratoren). Nicht vollständig gezeigt ist das Erdnetz der Sendeanlage, das radial vom Fußpunkt des über das radial vom 72 Meter hohen Sendemast in der der Mitte ausgeht. Sende-, Bedien- und Zusatzkabinen sind ebenso wie die Generatoren außerhalb des radialnetzes angeordnet, was auch zum Personenschutz des Bedienpersonals beiträgt.

 

Details zum Sendemast

Über die in den Kabinen installierte Technik liegt keine detaillierte Information vor, zum Aufbau des beachtlichen Sendemastes schon. Jeder Dreieck-Gittermast bestand aus 36 transportablen Schüssen je 2m lang aus AlZn4,5Mg1F35, also einer nicht-rostenden Aluminiumlegierung. Die Masse eines Einzelschusses betrug zwischen 68kg und 96 kg.

Zur Errichtung des Mastes war eine hydraulische Arbeitsbühne erforderlich, an der ein kleiner kleiner Kran mit Windenmotor befestigt war. In Ausführung als Kletterbühne steig diese mit fortschreitendem Aufbau des Mastes jeweils mit einem neu erreichteten Mastschuss weiter mit in die Höhe.

Zur Sicherung des aufgebauten Mastes waren erhebliche Mengen von Abspann- und Veankerungsmaterial und Hilfsvorrichtugnen erforderlich.
Die vorliegenden Unterlagen berichten, dass sämtliche für den Aufbau des Mastes erforderlichen Teile auf 2 LKW 10t mit Anhänger 4-Rad transportiert werden können und ein aufgebauter Mast eine Gesamtmasse von 10.757kg aufwies.

Grundlage für die Errichtung des Sendemastes war neben halbwegs ebenem Gelände das Ausbringen der Grundplatte (ein Teil der oben genannten rund 10t Last belasten diese), des den Mast vom Erdreich isolierenden Isolators, dee ersten Mastschusses und die Ausrichtung der hydraulischen Kletterbühne an dieser.

Die folgenden Bilder zeigen den weiteren Aufbau und die Einrichtung des unterstützenden Kranes.

Die folgenden Bilder vermitteln einen Eindruck von der mit einem hydraulischen Scherenantrieb ausgeführten Kletterbühne, die für zwei montierende Soldaten vorgesehen war. Im Rahmen der Erprobung wuden auf Fehlerfälle bewusst herbeigeführt, wie das Beispielbild der verkanteten Drehbühne anschaulich belegt.

Mit fortschreitendem Aufbau des Sendemastes bewegen sich die Monteure mit ihrer Kletterbühne und dem Kran schrittweise immer weiter in die Höhe. Ein neu aufgesetzter Mastschuss liefert dabei die Grundlage zum Weiterklettern. Zur Sicherung des sich aufbauenden Mastes sind Abspannugnen erforderlich. Diese werden jeweils mit montiert und so bald die Kletterbühne weiter gestiegen ist, der Mast erneut mittels Abspannungen und Bodenankern gesichert. Nach Errichtung des Mastes verbleibt die Kletterbühne in luftiger Höhe, denn die sternförmig ausgebrachten Abspannungen verhindern einen Abstieg. Die montierenden Solfaten waren dazu mit Sicherungs- und Kletterzeug ausgestattet und mussten herabklettern.

Die folgende Darstellung zeigt eine detaillierte Seitenansicht. Auf dieser wird neben Abspannugnen auch eine kapazitive Verlängerung des Sendemastes erkennbar (zusätzliche Abspannungen, die an der Mastspitze elektrisch leitend den vertikalen Strahler verlängern), ebenso wie die einzelnen Ankerpunkte, die belastungsgerecht auch mit zwei Ankern und einem zugkraftverteilenden Joch ausgeführt wurden.

Die folgenden Bilder vermitteln einen Eindruck vom Platzieren der Bodenanker, dem Spannen der einzelnen Abspannungen und von den teilweise erforderlichen Spannjochen.

Im Rahmen der Erprobung (bei der gesamten Anlage handelte es sich um ein Unikat), wurde Windlast in Form von statischen Zusatzkräften auf den aufgebauten Mast simuliert. Die folgenden Ansichten sind nicht verzerrt, sondern zeigen die tatsächlichen Verbiegungen und Verwindungen des Mastes und einen regulär errichteten Mast in winterlicher Umgebung.