von: Peter Russer
Manfred Börners Verdienste um die Entwicklung der Glasfasertechnik
Manfred Börner leistete zahlreiche wichtige Beiträge zur Hochfrequenztechnik und optischen Nachrichtentechnik. Sein bedeutendster Beitrag ist wohl der im Jahr 1966 patentierte Systemvorschlag für breitbandige digitale optische Nachrichtenübertragungssysteme über längere Strecken auf der Basis von Laserdiode als Sendeelement, monomodaler Glasfaser als Übertragungsstrecke und Photodiode als Empfangselement. Manfred Börner ist nicht nur Erfinder des Systems der breitbandigen Nachrichtenübertragung über Lichtleitfasern sondern darüber hinaus Initiator der Forschung auf diesem Gebiet und der darauf aufbauenden Umsetzung dieser Technologie im industriellen Maßstab. Die moderne Lichtleitfaser-Nachrichtenübertragungstechnik stellt heute das Rückgrat sowohl der weltweiten breitbandigen Nachrichtenübertragung dar und ist eine der grundlegenden Voraussetzungen der breitbandigen Informationsvernetzung in der modernen Welt. Für diesen Beitrag wurde Manfred Börner im Jahr 1990 mit dem renommierten Eduard-Rhein-Preis ausgezeichnet.
Manfred Börner wurde am 16. März 1929 in Rochlitz geboren und besuchte dort die Volksschule und die staatliche Oberschule. Manfred Börner, der das Abitur als einer der besten seines Jahrgangs abgeschlossen hatte, wollte anschließend Elektrotechnik studieren, erhielt aber in der sowjetischen Besatzungszone zunächst keinen Studienplatz, da sein Vater als Bäcker mit eigener Bäckerei in der sowjetischen Besatzungszone als Kapitalist galt. Er begann daher eine Lehre als Rundfunkmechaniker, die er auch abschloss. Danach studierte er an der Freien Universität in West-Berlin ab Herbst 1949 Physik und Mathematik. Nach Abschluss seines Studiums mit einer Diplomprüfung bei Hans Lassen im Sommer 1954 trat er als Dipl.- Physiker in das damals unter der Leitung von Wilhelm Runge stehende Forschungsinstitut der Firma Telefunken ein. Das Telefunken-Forschungsinstitut wurde 1955 von Berlin nach Ulm verlagert und Manfred Börner übersiedelte mit.
In Ulm folgte eine fünfundzwanzigjährige erfolgreiche Laufbahn als Forschungs- und Entwicklungsingenieur am Forschungsinstitut der Firma Telefunken, später AEG-Telefunken. Manfred Börner war ab 1955 Labor- und Laborgruppenleiter, ab 1965 Leiter der Abteilung Physik und Bauelemente, ab 1974 Abteilungsdirektor der zentralen Hauptabteilung Physik und ab 1976 leitender Direktor des gesamten Forschungsinstituts der AEG-Telefunken Nachrichten- und Verkehrstechnik AG. Er war damit für 260 Mitarbeiter verantwortlich.
Manfred Börners Hauptarbeitsgebiete waren Filtertheorie, Feldtheorie, mechanische Schwingungen, Festkörperphysik in Bezug auf elektronische Bauelemente, Differentialgeometrie, Laserphysik und Elektrooptik. Während seiner Tätigkeit am Forschungsinstitut der Firma Telefunken, später AEG-Telefunken, meldete Manfred Börner insgesamt 57 Patente an. Mehrere der damals patentierten Erfindungen, insbesondere im Bereich der optischen Nachrichtentechnik, sind bis heute von außerordentlicher Bedeutung für die moderne Lichtleitfaser- Datenübertragung und die Funktionsfähigkeit des Internets.
Während der Jahre 1958 bis 1966 beschäftigte sich Manfred Börner vorrangig mit der Entwicklung elektromechanischer Filter für die Trägerfrequenztechnik. Die von ihm entworfenen, mechanischen Filter ersetzten in der Folgezeit bei allen neuen Trägerfrequenzanlagen die zuvor üblichen noch aus Spulen und Kondensatoren aufgebauten Analogfilter der ersten Generation. Mit einer Doktorarbeit mit dem Titel „Biegeschwingungen in mechanischen Filtern“, die auf Anregung von Hans Piloty entstand, wurde Manfred Börner im Jahr 1959 an der Fakultät für Physik der TH München mit dem Prädikat „summa cum laude“ zum Dr. rer. nat. promoviert.
Ab 1964 verlagerte sich Börners Forschungsschwerpunkt zunehmend zur Laserphysik und zur optischen Nachrichtentechnik. 1965 macht er auf diesem Gebiet eine bahnbrechende Erfindung. Er entwarf ein breitbandiges optisches Weitverkehrs-Übertragungssystem auf der Basis von Laserdiode als Sendeelement, monomodaler Glasfaser als Übertragungsstrecke und Photodiode als Empfangselement. Es handelt sich um das Patent
DE 1254 513 (Anmeldetag 21. Dezember 1966) „Mehrstufiges System für in Pulscodemodulation dargestellte Nachrichten“.
Es war das weltweit erste Patent für ein Glasfaser-Datenübertragungssystem. Alle optischen Weitverkehrs-Übertragungssysteme arbeiten noch heute nach diesem von Börner entworfenen Systemprinzip.
Professor Kurt Fränz, der zum damaligen Zeitpunkt Leiter der Forschung von AEG-Telefunken war berichtet in seinem Nachruf auf Manfred Börner vom 15. Januar 1996:
„Börner und Maslowski besuchten mich, um mir mitzuteilen, sie glaubten, einen Laser entwickeln zu können, und damit begannen die experimentellen Arbeiten des Institutes für die Glasfasertechnik. Börner besitzt ein Kombinationspatent, in dem das heute allgemein übliche System der Glasfaser-Nachrichtenübertragung beschrieben wird; das zeigt, wie früh er die Chancen dieser Technik erkannt hat.“
Die damalige Entscheidung, die Entwicklung eines breitbandigen digitalen Lichtleitfaserübertragungssystems auf der Basis von Halbleiter-Injektionslasern als optisches Sendeelement, einwelligen Quarzglasfasern als optisches Übertragungsmedium und Photodioden als optischews Empfangselement in Angriff zu nehmen war außerordentlich mutig. Noch Anfang der siebziger Jahre stellten sich die Voraussetzungen wie folgt dar: Halbleiterinjektionslaser hatten bei Raumtemperatur im kontinuierlichen Betrieb eine Lebensdauer von einer Minute und hatten einen zu hohen Schwellstrom und ein unzureichendes Modulationsverhalten und wiesen nicht die erforderliche Modenreinheit auf. Die einwelligen Lichtleitfasern wiesen eine viel zu hohe Einfügungsdämpfung auf und ermöglichten nur eine Übertragung über wenige Meter. Schnelle empfindliche Photodioden waren nicht verfügbar. Eine Schaltungstechnik für Gigabtraten war nicht existent. Unter Manfred Börner arbeiteten etwa dreißig Mitarbeiter in der Abteilung Physik und Bauelemente des AEG-Telefunken – Forschungsinstituts in Ulm. Im Laufe der siebziger Jahre wurden dort Halbleiterinjektionslaser, Lichtleitfasern, Photodioden und Schaltungen entwickelt, die alle Anforderungen erfüllten. Im Jahr 1978 wurde im Forschungsinstitut Ulm die weltweit erste Lichtleitfaserübertragungsstrecke mit einer Datenrate von 1 Gigabit pro Sekunde (1 Gbit/s) realisiert. Die Übertragungsstrecke enthielt einen Multiplexer auf der Sendeseite und Demultiplexer und Taktrückgewinnung auf der Empfangsseite. Die Schaltungen wurden im Forschungsinstitut in hybrider Integration realisiert, da integrierte Schaltkreise für die hohen Taktraten damals nicht verfügbar waren. Dreizehn Jahre nach der Erfindung von Manfred Börner war die Forschung am Ziel und die Überleitung in die Entwicklung und die Fachbereiche für Weitverkehrstechnik, Halbleiter und Kabel hätte nun zügig in Angriff genommen werden können. Leider wurde AEG-Telefunken ab 1979 zerschlagen und konnte die Früchte dieses Erfolges nicht mehr ernten. Die von Manfred Börner angestoßene Entwicklung setzte sich jedoch weltweit stürmisch fort.
Was die Publikationen anbelangt, so ist zu berücksichtigen, dass Manfred Börner bereits ab 1965 Leiter der der Abteilung Physik und Bauelemente im Forschungsinstitut von AEG-Telefunken war und sein Name dann seltener auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen auftaucht. Die Übersichtsarbeit
Peter Russer: "Introduction to Optical Communications“, in M. J. Howes and D. V. Morgan (ed.) "Optical Fibre Communications“ J. Wiley 1980,
gibt einen Überblick über den 1980 erreichten internationalen Stand der Lichtleitfasertechnik und referenziert auch wichtige Ergebnisse aus der Forschung von AEG-Telefunken.
Ab 1977 hatte Manfred Börner einen Lehrauftrag an der TU München inne. Bekannt wurden vor allem seine „Spezialvorlesungen“ zu dielektrischen Wellenleitern, zur Integrierten Optik und zur Allgemeinen Feldtheorie. Als Hochschullehrer befasste sich Manfred Börner wieder ausführlich mit der zuvor nur noch in der Freizeit betriebenen Theoretischen Physik.
Im Jahr 1979 wurde Manfred Börner an die Technische Universität München als Nachfolger von Heinz Maecker auf den Lehrstuhl für Technische Elektrophysik berufen. Bekannt wurden vor allem seine Vorlesungen zu dielektrischen Wellenleitern, zur Integrierten Optik und zur Allgemeinen Feldtheorie. Als Hochschullehrer befasste sich Manfred Börner wieder ausführlich mit der zuvor nur noch in der Freizeit betriebenen Theoretischen Physik. In der in der in der Zeitschrift für Naturforschung im Jahr 1985 veröffentlichten Arbeit „Quantelung der Zeit und Quantenmechanik“ kommt er zu dem Ergebnis, dass wenn das Universum als geordnete Abfolge diskreter Eigenzustände beschrieben werden könne, der Parameter dieser Ordnung die Rolle einer quantisierten Zeit spiele. Die notwendige Existenz einer Quantenmechanik könne ein Hinweis auf die Existenz einer nicht kontinuierlichen Zeit sein. Es war ihm nicht vergönnt, diese Forschungsarbeiten, die ihn viele Jahre beschäftigten und die er für seine wichtigsten hielt zu vollenden.
Im Herbst 1993 wurde Manfred Börner emeritiert. Seine beliebten Vorlesungen zu den obengenannten Spezialgebieten fanden weiterhin statt.
Am 15. Januar 1996 verstarb Manfred Börner plötzlich und unerwartet. Manfred Börner war ein Mensch von umfassender Bildung und hoher Kreativität. Die Diskussionen mit ihm waren äußerst fruchtbar. Seine Interessen waren vielfältig, umfassten Naturwissenschaft und Philosophie und waren auch auf die Gesetze gerichtet, die die Welt im Innersten zusammenhalten.
München, 25. März 2020,
Peter Russer