Monteur-Chinesisch
In den zehner und zwanziger Jahren, vor und nach dem Ersten Weltkrieg, baute Telefunken u. a. auf Inseln im Pazifischen Ozean, auf Java, in Japan und-1929 auch in China Funkstationen auf.
Die Antennenanlage für die chinesische Station wurde bereits ein Jahr vor der Inbetriebnahme ausgeliefert, per Schiff, begleitet von einem Berliner Monteur.
Zur Inbetriebsetzung reisten Monate später weitere Fachkräfte an, die sich trotz fehlender chinesischer Sprachkenntnisse keinerlei Sorgen über die Verständigungsmöglichkeiten vor Ort machten. Sie verließen sich auf die inzwischen sicher schon passablen Chinesischkenntnisse des vorausgesandten Kollegen. Doch die Überraschung war groß, als sie erfuhren, dass dieser Monteur kein einziges chinesisches Wort gelernt hatte.
Noch größer war ihre Überraschung, als sie, am Montageort angekommen, erlebten, wie die chinesischen Hilfskräfte die ihnen in berlinisch eingefärbtem Hochdeutsch übertragenen Aufgaben verstanden und ihre Handreichungen mit dem gleichen Vokabular kommentierten. Staunend wurde ein problemloser Arbeitsablauf beobachtet.
Des Rätsels Lösung: Als der besagte Monteur mit dem Schiff angekommen war und die Seekisten öffnete, griff er sich den Hammer, legte ihn auf den Kai und rief in seinem Heimatdialekt: Hamma! Die 30 zur Unterstützung eingesetzten Helfer wiederholten im Chor: Hamma, Hamma, ... und begutachteten den Hammer. Wie leicht hätte bei »richtigem« Hochdeutsch aus dem Hammer ein Hammel werden können! Aber auch größere Hürden wurden genommen: Der Monteur rief: Schraubenschlüssel! Und legte das nächste wichtige Werkzeug auf den Kai. Die Chinesen wiederholten: Slaubenslissel, Slaubenslissel, ... und machten sich mit ihm bekannt. - Sich auszumalen, wie es weiterging, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.
Tatsächlich standen die Antennenmasten rechtzeitig und die Anlage konnte termingerecht in Betrieb genommen werden.
Diese kuriose Anekdote stammt ursprünglich von Oberingenieur Otto Grünberg, Jahrgang -1906, der sie in den fünfziger Jahren - als Mitglied der Bonner Telefunken-Verbindungsstelle - im Kreise alter »Vorkriegs-Telefunker« vermutlich wesentlich mehr als nur einmal zum Besten gab. Dieser Otto Grünberg, der vor seiner Telefunken-Zeit fast zwei Jahrzehnte lang als Debeg-Funkoffizier auf großen »Pötten« über die Meere gefahren war, hat zu Beginn" der siebziger Jahre wesentlich dazu beigetragen, dass eine so harmonische Partnerschaft zwischen AEG-TELEFUNKEN, Ulm, und der F. Lürssen Werft in Bremen-Vegesack entstand. Sie bildete die Grundlage für den großen Erfolg u. a. der Schnellboot-Projekte für die Deutsche Bundesmarine, wie sie im Abschnitt »Führungs- und Waffeneinsatzsysteme der Marine« beschrieben sind.
Quelle: Erdmann Thiele TELEFUNKEN nach 100 Jahren ISBN 3-87584-961-2 (2003),
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung durch die Nicolai Publishing & Intelligence GmbH, Berlin